Inhaltsverzeichnis
Schelmengesindel
Heitere Verse deutscher Dichter
Mit Bildern von Else Wenz-Viëto
Verlag Wilhelm Langewiesche-Brandt
Ebenhausen bei München
1928
Die Sternlein
Von Ernst Moritz Arndt
Und die Sonne machte den weiten Ritt
um die Welt,
und die Sternlein sprachen: „Wir reisen mit
um die Welt.“
Und die Sonne, sie schalt sie: „Ihr bleibt zu Haus,
denn ich brenn euch die goldnen Äuglein aus
bei dem feurigen Ritt um die Welt.“
Und die Sternlein gingen zum lieben Mond
in der Nacht,
und sie sprachen: „Du, der auf Wolken thront
in der Nacht,
laß uns wandeln mit dir, denn dein milder Schein,
er verbrennet uns nimmer die Äugelein..“
Und er nahm sie, Gesellen der Nacht.
Nun willkommen, Sternlein und lieber Mond,
In der Nacht!
Ihr verstehet, was still in dem Herzen wohnt
in der Nacht.
Kommt und zündet die himmlischen Lichter an,
daß ich lustig mitschwärmen und spielen kann
in den freundlichen Spielen der Nacht.
In Bulemanns Haus
Von Theodor Storm
Es klippt auf den Gassen im Mondenschein;
das ist die zierliche Kleine,
die geht auf ihren Pantöffelein
behend und mutterseelenallein
durch die Gassen im Mondenscheine.
Sie geht in ein alt verfallenes Haus;
im Flur ist die Tafel gedecket,
da tanzt vor dem Monde die Maus mit der Maus,
da setzt sich das Kind mit den Mäusen zu Schmaus,
die Tellerlein werden gelecket.
Und leer sind die Schüsseln; die Mäuslein im Nu
verrascheln in Mauer und Holze;
nun läßt es dem Mägdlein auch länger nicht Ruh,
sie schüttelt ihr Kleidchen, sie schnürt sich die Schuh,
dann tritt sie einher mit Stolze.
Es leuchtet ein Spiegel aus goldnem Gestell,
da schaut sie hinein mit Lachen;
gleich schaut auch heraus ein Mägdelein hell,
das ist ihr einziger Spielgesell;
nun wolln sie sich lustig machen.
Sie nickt voll Huld, ihr gehört ja das Reich;
da neigt sich das Spiegelkindlein,
da neigt sich das Kind vor dem Spiegel zugleich,
da neigen sich beide gar anmutreich,
da lächeln die rosigen Mündlein.
Und wie sie lächeln, so hebt sich der Fuß,
es rauschen die seidenen Röcklein,
die Händchen werfen sich Kuß um Kuß,
das Kind mit dem Kinde nun tanzen muß,
es tanzen im Nacken die Löcklein.
Der Mond scheint voller und voller herein,
auf dem Estrich gaukeln die Flimmer:
Im Takte schweben die Mägdelein,
bald tauchen sie tief in die Schatten hinein,
bald stehn sie in bläulichem Schimmer.
Nun sinken die Glieder, nun halten sie an
und atmen aus Herzensgrunde;
sie nahen sich schüchtern und beugen sich dann
und knien voreinander und rühren sich an
mit dem zarten unschuldigen Munde.
Doch müde werden die beiden allein
von all der heimlichen Wonne;
sehnsüchtig flüstert das Mägdelein:
»Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenschein,
ach, käme doch endlich die Sonne!«
Sie klettert hinunter ein Trepplein schief
und schleicht hinab in den Garten.
Die Sonne schlief, und die Grille schlief:
»Hier will ich sitzen im Grase tief,
und der Sonne will ich warten.«
Und als nun morgens um Busch und Gestein
verhuschet das Dämmergemunkel,
da werden dem Kinde die Äugelein klein;
sie tanzte zu lange bei Mondenschein,
nun schläft sie bei Sonnengefunkel.
Nun liegt sie zwischen den Blumen dicht
auf grünem, blitzendem Rasen,
und es schauen ihr in das süße Gesicht
die Nachtigall und das Sonnenlicht
und die kleinen neugierigen Hasen.
Die Heinzelmännchen
Von August Kopisch
Wie war zu Köln es doch vordem
mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul - man legte sich
hin auf die Bank und pflegte sich:
Da kamen bei der Nacht,
ehe mans gedacht,
die Männlein und schwärmten
und klappten und lärmten
und rupften und zupften
und hüpften und trabten
und putzten und schabten …
Und eh ein Faulpelz noch erwacht,
war all seine Tagewerk bereits gemacht.
Die Zimmerleute streckten sich
hin auf die Spän und reckten sich.
Indessen kam die Geisterschar
und sah, was da zu zimmern war,
nahm Meißel und Beil
und die Säg in Eil:
Sie sägten und stachen
und hieben und brachen,
berappten und kappten,
visierten wie Falken
und setzten die Balken …
Eh sichs der Zimmermann versah,
klapp - stand das ganze Haus schon fertig da.
Beim Bäckermeister war nicht Not,
die Heinzelmännchen backten Brot.
Die faulen Burschen legten sich,
die Heinzelmännchen regten sich -
und ächzten daher mit den Säcken schwer.
Und kneteten tüchtig
und wogen es richtig
und hoben und schoben
und fegten und backten und klopften und hackten.
Die Burschen schnarchten noch im Chor …
Da rückte schon das Brot, das neue, vor.
Beim Fleischer ging es just so zu,
Gesell und Bursche lag in Ruh,
indessen kamen die die Männlein her
und hackten das Schwein die Kreuz und Quer.
Das ging so geschwind wie die Mühl im Wind!
Die klappten mit Beilen, die schnitzten an Speilen,
die spülten und wühlten
und mengten und mischten
und stopften und wischten.
Tat der Gesell die Augen auf …
Wapp! hing die Wurst da schon im Ausverkauf!
Beim Schenken war es so: Es trank
der Küfer, bis er niedersank,
am hohlen Fasse schlief er ein,
die Männlein sorgten um den Wein
und schwefelten fein alle Fässer ein
und rollten und hoben
mit Winden und Kloben
und schwenkten und senkten
und gossen und panschten und mengten und manschten -
Und eh der Küfer noch erwacht,
War schon der Wein geschönt und feingemacht!
Einst hatt`ein Schneider große Pein:
Der Staatsrock sollte fertig sein …
warf hin das Zeug und legte sich
hin auf das Ohr und pflegte sich.
Da schlüpften sie frisch auf den Schneidertisch;
sie schnitten und rückten
und nähten und stickten
und faßten und paßten
und strichen und guckten und zupften und ruckten …
Und eh mein Schneiderlein erwacht,
war Bürgermeisters Rock bereits gemacht.
Neugierig war des Schneiders Weib
und macht sich diesen Zeitvertreib:
streut Erbsen hin die andre Nacht …
Die Heinzelmännchen kommen sacht …
Eins fähret nun aus, schlägt hin im Haus,
die gleiten von Stufen
und plumpen in Kufen,
die fallen mit Schallen,
die lärmen und schreien und vermaledeien …
Sie springt hinunter auf den Schall
mit Licht: Husch, husch, husch, husch! verschwinden all.
O weh! Nun sind sie alle fort,
und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
man muß nun alles selber tun!
Ein jeder muß fein selbst fleißig sein
und kratzen und schaben
und rennen und traben
und schniegeln und biegeln
und klopfen und hacken und kochen und backen. -
Ach, daß es doch wie damals wär!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her.
Nixe Binsefuß
Von Eduard Mörike
Des Wassermanns sein Töchterlein
tanzt auf dem Eis im Vollmondschein,
sie singt und lachet sonder Scheu
wohl an des Fischers Haus vorbei.
Dein Mägdlein zwar ist fromm und gut,
„Ich bin die Jungfer Binsefuß,
und meine Fisch wohl hüten muß,
mein Fisch, die sind im Kasten,
sie haben kalte Fasten;
von Böhmerglas mein Kasten ist,
Da zähl ich sie zu jeder Frist.
Gelt, Fischermatz? gelt, alter Tropf,
Dir will der Winter nicht in Kopf?
Komm mir mit deinen Netzen!
Die will ich schön zerfetzen!
Dein Mägdlein zwar ist fromm und gut,
ihr Schatz ein braves Jägerblut.
Drum häng ich ihr zum Hochzeitstrauß
ein schilfen Kränzlein vor das Haus
und einen Hecht, von Silber schwer,
er stammt von König Artus her,
ein Zwergen-Goldschmieds-Meisterstück,
wer's hat, dem bringt es eitel Glück:
Er läßt sich schuppen Jahr für Jahr,
Da sind's fünf hundert Gröschlein bar.
Der Wassermann
Von August Kopisch
Es standen drei Mädchen am tiefen Teich,
der Wassermann maß die Bänder gleich:
„Ihr Mädchen, wollt ihr Bändchen,
so langet nach den Endchen!“
„O Wassermann in kühler Flut,
hast grünen Hut und falschen Mut;
du willst uns nur belügen,
belügen und betrügen!“
Er lachte; da sah man die Zähne grün:
„Die Schönste von euch ist stolz und kühn,
seht doch die vielen Bändchen,
zupft euch ein hübsches Endchen!“
„Er mißt die Bänder, weiß und grün,
Er will uns in das Wasser ziehn!“
„O Mädchen langt nur munter,
die Schönste zieh’ ich nicht unter!“
Da langten sie all’, es rauscht die Flut,
die Bänder werden so rot wie Blut.
Der Wassermann ist schnelle:
Die Mädchen sind unter der Welle…
Was mögen sie wohl da unten tun?
Sie müssen beim Schuppenmanne ruhn,
sie müssen ihm braten und kochen
sieben Walisische alle Wochen.
Spatz und Spätzlein
Von Karl Mayer
Auf dem Dache sitzt der Spatz,
und die Spätzin sitzt daneben,
und er spricht zu seinem Schatz:
„Küsse mich, mein holdes Leben!“
Bald nun wird der Kirschbaum blüh´n,
Frühlingszeit ist so vergnüglich;
ach! wie lieb´ich junges Grün
und die Erbsen ganz vorzüglich!„
Spricht die Spätzin: „Teurer Mann,
denken wir der neuen Pflichten,
fangen wir noch heute an,
uns ein Nestchen einzurichten!“
Spricht der Spatz: „Das Nesterbau´n,
Eierbrüten, Junge füttern
und dem Mann den Kopf zu krau´n
liegt den Weibern ob und Müttern.“
Spricht die Spätzin: „Du Barbar!
Soll ich bei der Arbeit schwitzen,
und du willst nur immerdar
zwitschern und herumstibitzen?“
Spricht der Spatz: „Ich will dir hier
mit zwei Worten kurz berichten:
Für den Spatz ist das Pläsier,
für die Spätzin sind die Pflichten!“
Der Traum
Von Viktor Blüthgen
Es war ein niedlich Zeiselein,
das träumte nachts im Mondenschein:
Es säh' am Himmel Stern bei Stern,
davon wär' jeder ein Hirsekern,
und als es geflogen himmelauf,
da pickte das Zeislein die Sterne auf.
Piep. —
Und als die Sonne beschien den Baum,
erwachte das Zeislein von seinem Traum.
Es wetzte das Schnäbelchen her und hin
und sprach verwundert in seinem Sinn:
„Nun hab' ich gepickt die ganze Nacht
und bin doch so hungrig aufgewacht!
Ping —
Die fünf Hühnerchen
Von Von Viktor Blüthgen
Ich war mal in dem Dorfe,
Da gab es einen Sturm,
da zankten sich fünf Hühnerchen
um einen Regenwurm.
Und als kein Wurm mehr war zu sehn,
da sagten alle: „Piep!“
Da hatten die fünf Hühnerchen
einander wieder lieb.
Tierballade
Vom Wilhelm Busch
Es war die erste Maiennacht.
Kein Mensch im Dorf hat mehr gewacht.
Da hielten, wie es stets der Fall,
die Tiere ihren Frühlingsball.
Die Gans, die schöne Adelheid,
fehlt nie bei solcher Festlichkeit,
obgleich man sie nach altem Brauch
zu necken pflegt. So heute auch.
'Frau Schnabel' nannte sie der Kater,
'Frau Plattfuß' rief der Ziegenvater;
doch sie, war lächelnd, aber kühl,
hüllt sich in sanftes Selbstgefühl. —
Sie da, zum Schluß hat auch der Fuchs
sich ungeladen eingedrängelt.
Schlau hat er sich herangeschlängelt:
„Ihr Diener,“nsäuselt er galant,
„Wie geht's der Schönsten in Brabant?
Ich küß der gnädigen Frau den Fittich!
Ist noch ein Tänzchen frei, so bitt' ich!“
Sie nickt verschämt: „O Herr Baron!“..
Indem, so walzten sie auch schon. —
Wie trippeln die Füße, wie wippeln die Schwänze
im lustigen Kehraus, im letzten der Tänze!
Da tönt es Vier mit lautem Schlag.
Das Fest ist aus. Es naht der Tag, —
Bald drauf, im frühsten Morgenschimmer,
ging Mutter Urschel aus wie immer
mit Korb und Sichel, um verstohlen
sich etwas fremden Klee zu holen.
An einer Hecke bleibt sie stehn:
„Herrjeh, was ist denn hier geschehn?
Die Füchse, sag ich, soll man rädern!
Das sind wahrhaftig Gänsefedern!
Ein frisches Ei liegt dicht daneben,
ich bin so frei, es aufzuheben.
Ach, armes Tier!“ sprach sie bewegt,
„dies Ei hast du vor Angst gelegt!“
Bettelmanns Hochzeit
Dichter unbekannt
Widele wedele, hinter dem Städele
hält der Bettelmann Hochzeit.
Alle die Tierle, die Wedele habe,
die solle zur Hochzeit kumme…
Widele wedele, hinter dem Städele
hält Bettelmann Hochzeit.
Pfeift das Mäusele, tanzt das Läusele,
schlägt das Igele Trumme…
Widele wedele, hinter dem Städele
hält der Bettelmann Hochzeit.
Schleif mir ein Tänzele,
wind mir ein Kränzele,
laß mir das Geigele brumme…
Widele wedele, hinter dem Städele
hält der Bettelmann Hochzeit.
Die Zwerge in Pinneberg
Des kleinen Volkes Überfahrt
Hütchen
Das bucklige Männlein
Das Riesenspielzeug
Knecht Ruprecht
Arians Reise um die Welt
Wiegenlied
Strampelchen
Herr von Ribbeck
Bekanntmachung
Selbstgeständnis
Katzenidylle
Mausefallen-Sprüchlein
Der große Krebs im Mohringer See
Fingerhütchen
Schlussbemerkungen
Die Gedichte entsprechen im Satz, der Interpunktion und im Text der Veröffentlichung im Buch Schelmengesindel. Dabei hat der Verlag seinerzeit, zu Gunsten der Buchgestaltung, eventuell Veränderungen vorgenommen.
Im Gegensatz zu den Tetxten sind die wunderschönen Bilder von Else Wenz-Viëtor noch nicht gemeinfrei. Darum müssen sie hier leider fehlen.